Weihnachtsgeschichte
Das heutige Kalendertürchen beinhaltet eine Weihnachtsgeschichte. Sie kann uns vor Augen führen, welchen Stellenwert materielle und nicht-materielle Dinge haben können, gerade in der festlichen Zeit. LEGO wird unter Garantie auch in diesem Jahr unter unzählig vielen Weihnachtsbäumen liegen, Kinder- und Erwachsenenaugen zum Strahlen bringen, den Menschen und Familien viele schöne Stunden bereiten. Vielleicht auch einen kleinen Teil dazu beitragen, einen versöhnlichen Ausgleich für dieses anstrengende Jahr 2020 zu schaffen.
Neben allen Debatten um EOL-Listen, Rabatte und Investmentpotential geht es weder darum, Materielles in den Fokus des Weihnachtsgeschehens zu rücken, noch darum, den Konsum zu verteufeln. Weihnachten ist das Fest der Liebe und der Versöhnung. Als Ausdruck dessen ist es phantastisch, sich auch materielle Freuden zu bereiten. Sehr eindrücklich hat das Chris mit seiner Aktion für die Kinderkrebsstation in St. Augustin unter Beweis gestellt. Aber viel mehr als das Spielzeug steht die Absicht des Schenkenden im Mittelpunkt, eine Freude zu bereiten und sich selbst an dieser gespendeten Freude zu erfeuen. So wie bei Hermann Joseph in unserer Geschichte…
In Deutschland wohnte einst ein kleiner Uhrmacher, der Hermann Joseph hieß. Er wohnte in einem kleinen Zimmer mit einer Werkbank, einem Schrank für sein Holz und sein Werkzeug, einem Geschirrschrank für seine Teller und ein Bett auf Rollen, das unter seiner Werkbank stand. Daneben stand ein Schemel, und das war alles, außer den Uhren. Davon hatte er mehr als hundert: Kleine und große, verzierte und einfache, manche hatten Zifferblätter aus Holz, andere aus Porzellan, da waren Stutzuhren, Kuckucksuhren, Uhren mit und ohne Glockenspiel; und die hingen alle an der Wand, die fast ganz voll davon war. Im einzigen kleinen Fenster hatte er auf einem Brett seine schönste Uhr ausgestellt. Oft blieben Leute stehen, und einer sagte dann: “Seht, Hermann Joseph hat eine neue Uhr gemacht. Das ist die Schönste von allen.“ Und wenn jemand eine Uhr haben wollte, dann ging er hinein und kaufte eine. Wie ich schon sagte: Hermann Joseph war ein kleiner Uhrmacher. Das lag daran, dass sein Rücken und seine Beine krumm waren. Aber in der ganzen Stadt gab es kein freundlicheres Gesicht, und die Kinder liebten ihn. Wenn ein Spielzeug zerbrochen war oder eine Puppe einen Arm oder ein Bein oder ein Auge verloren hatte, dann brachte die unvorsichtige Puppenmutter ihren Liebling schnurstracks zu Hermann Joseph. „Dieses Kindlein muss gesund gemacht werden“, sagte sie dann. „Wirst du das für mich tun?“ Und womit Hermann Joseph auch gerade beschäftigt war, er legte seine Arbeit zur Seite, um die zerbrochene Puppe zu reparieren; und er nahm nie einen Pfennig dafür. „Kauf dir etwas Leckeres dafür, oder noch besser, spar das Geld für Weihnachten“, sagte er immer. Nun war es vor langer Zeit normal, dass die Leute, die in dieser Stadt wohnten, Weihnachten Geschenke für Maria und das Kind in die Kathedrale brachten. Die Leute sparten das ganze Jahr, so dass sie zu Weihnachten etwas besonders Schönens kaufen konnten. Und, so behauptete man, wenn jemand dem Christuskind ein Geschenk brachte, das ihm besser als alles andere gefiel, würde es sich auf Marias Arm vorbeugen, um es anzufassen. Das war natürlich nur eine Legende. Der alte Graf, der älteste Einwohner der Stadt, konnte sich nicht erinnern, dass das je geschehen wäre, und viele Leute lachten schon, wenn sie nur davon hörten. Aber die Kinder redeten oft darüber, und die Dichter schrieben darüber wunderschöne Gedichte. Oft wurden gewaltig teure Geschenke gebracht, und die Spender standen dann und warteten und flüsterten sich selbst zu: „Vielleicht wird nun das Wunder geschehen.“ Die Leute die keine Geschenke machen konnten, gingen am Heiligabend dennoch in die Kirche und schauten die Gaben der anderen an, lauschten den Liedern und bewunderten die brennenden Kerzen. Der kleine Uhrmacher war einer von ihnen. Oft sprach man ihn an und fragte: „Wie kommt es, dass du nie ein Geschenk bringst?“ Einmal fragte sogar der Bischof: „Wo ist dein Geschenk für das Kind? Sogar Menschen, die noch ärmer sind als du, haben etwas gebracht.“ Da hatte Hermann gesagt: „Wartet nur, dann werdet ihr es sehen. Einmal werde ich auch eine Gabe bringen.“ Tatsache war, dass der kleine Uhrmacher das ganze Jahr über alles weggab und zu Weihnachten einfach nichts mehrhatte. Aber er hatte eine großartige Idee. Jede freie Minute, die ihm seine Arbeit als Uhrmacher ließ, arbeitete er daran . Es hatte ihn etliche Jahre gekostet, und nur Trude, die kleine Tochter seiner Nachbarn, wusste etwas davon. Und aus dem kleinen Mädchen Trude war ein Hausmütterchen geworden, da war das Geschenk immer noch nicht fertig. Es war eine Uhr, die prächtigste, die wunderschönste Uhr, die man je gesehen hatte; und jedes Teilchen war mit Liebe und Sorgfalt angefertigt worden. Das Gehäuse, das Uhrwerk, die Gewichte, die Zeiger und das Zifferblatt, das alles hatte jahrelange Arbeit gekostet. Und nun sah Hermann endlich, dass er sie für diese Weihnacht fertig haben könnte, wenn er sich ein wenig beeilte. Er reparierte immer noch Kinderspielzeug, aber keine normalen Uhren mehr; er verkaufte auch viel weniger, und oft war sein Schrank leer, und er ging mit leerem Magen ins Bett. Aber er wurde nur ein wenig magerer, und sein Gesicht wurde immer freundlicher. Währenddessen wurde die Uhr, die als Geschenk gedacht war, immer schöner und schöner. Es war eine Darstellung der Krippe. Maria kniete neben der Krippe, in der das Jesuskind lag, die Türchen standen offen, und dadurch kamen die Stunden heraus. Da waren drei Könige und drei Hirten und drei Soldaten und drei Engel, und wenn die Uhr die ganze Stunde schlug, knieten sie abwechselnd anbetend vor dem schlafenden Kind, während die silbernen Glöckchen das „Magnifikat“ spielten. “Siehst du“, sagte der Uhrmacher zu Trude, “das bedeutet, dass wir nicht nur an Sonn- und Feiertagen das Christuskind anbeten und ihm Geschenke bringen sollen, sondern jeden Tag, jede Stunde.“ Die Tage vergingen schnell, genauso schnell wie Wolken, die vom Wind fortgetrieben werden, und endlich war die Uhr fertig. Hermann Joseph war so stolz darauf, dass er sie ins Fenster stellte, damit die Vorbeigehenden sie sehen konnten. Und da standen auch bald ganze Gruppen von Menschen und schauten sich die Uhr an und fragten sich, ob dies nun das Geschenk sei, von dem Hermann Joseph gesprochen hatte: Sein Geschenk am Heiligabend für das Jesuskind.
Heiligabend kam. Hermann machte seinen Laden sauber, zog alle seine Uhren auf, bürstete seine Kleidung, und um sich zu vergewissern, dass auch alles in Ordnung war, schaute er sich noch einmal seine ganz besondere Uhr an. Er würde den Vergleich mit all den anderen Geschenken nicht zu scheuen brauchen, dachte er froh. Er war sogar so freudig erregt, dass er sein ganzes Geld, bis auf einen Stüber, einem blinden Bettler gab, der an seinem Haus vorbeikam. Und als ihm einfiel, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, gab er den Stüber für einen Weihnachtsapfel aus, den er zu dem Kanten Brot essen wollte, den er noch im Schrank liegen hatte. Den Apfel legte er in den Schrank; wenn er sich angezogen hatte, würde er ihn essen. Da ging die Tür auf, und herein kam die weinende Trude. „Kind was ist denn?“ fragte er dann und nahm sie in die Arme. „Mein Mann hat einen Unfall gehabt, und das ganze Geld, das wir für einen Baum und Süßigkeiten und Spielzeug gespart hatten, habe ich dem Doktor geben müssen. War soll ich den Kindern sagen? Sie haben die Kerze im Fenster schon angesteckt und warten auf den Weihnachtsmann.“ Der Uhrmacher lachte fröhlich. „Komm, komm, Kleines. Alles wird gut. Hermann wird für dich eine Uhr verkaufen. Irgend jemand in der Stadt wird ja wohl eine Uhr gebrauchen können. Dann haben wir im Handumdrehen genug Geld, um drei Spielsachen zu kaufen. Geh nur nach Hause.“ Er knöpfte sich den Mantel zu, und nach dem er eine der besten alten Uhren ausgesucht hatte, verließ er das Haus. Zuerst ging er zu den reichen Kaufleuten, aber ihre Häuser waren voller Uhren; dann zu den Handelsreisenden, aber die sagten, seine Uhr sei veraltet. Er stellte sich sogar an Straßenecken und rief: „Eine Uhr, eine gute Uhr zu verkaufen“, aber niemand beachtete ihn. Zum Schluss nahm er all seinen Mut zusammen und ging zum Grafen. „Möchten Eure Exzellenz eine Uhr kaufen?“ Seine eigene Unerschrockenheit ließ ihn ein wenig erzittern. „ Ich wäre mit dieser Bitte nicht zu Euch gekommen, wenn nicht Weihnachten wäre und ich für das Geld ein paar Kindern etwas Glück kaufen möchte.“ Der Graf lachte. „Ich will wohl eine Uhr kaufen, aber nicht diese. Ich zahle tausend Gulden für die Uhr, die die letzten vier Tage bei dir im Fenster gestanden hat.“ Aber Exzellenz, das ist unmöglich!“ Und nun zitterte der arme Hermann noch viel mehr. „Pah! Nichts ist unmöglich. Die Uhr oder keine. Geh heim. In einer halben Stunde schicke ich jemanden, um die Uhr zu holen und dir die tausend Gulden zu geben.“ Der kleine Uhrmacher taumelte hinaus. „Alles, nur das nicht, alles, nur das nicht!“ murmelte er auf dem Heimweg immer wieder. Als er am Haus der Nachbarn vorbeikam, sah er im Fenster die Kinder mit der brennenden Kerze und hörte Trude singen. Und so geschah es, dass der Diener des Grafen kam und die wunderschöne Uhr, die das Geschenk für das Jesuskind sein sollte, mitnahm. Aber der Uhrmacher nahm nur fünf der tausend Gulden als Bezahlung an. Und als der Diener auf die Straße trat, begannen die Uhren der großen Kathedrale zu spielen, und auf den Straßen waren plötzlich sehr viele Menschen zu sehen, die zur Kirche gingen, um dort ihr Geschenk abzugeben. „Ich bin schon öfter mit leeren Händen gegangen.“ sagte der kleine Uhrmacher bekümmert, „dann kann ich es auch noch einmal tun.“ So zog er dann wieder den Mantel an. Als er sich zum Schrank umdrehte, um die Tür zu schließen, fiel sein Blick auf den Weihnachtsapfel. Um seine Mundwinkel spielte ein Lächeln, und in seine Augen kam ein Leuchten. „Das ist alles, was ich habe: Mein Essen für zwei Tage. Das werde ich dem Christuskind geben. Das ist immer noch besser als mit leeren Händen dazustehen.“ Friedlich und schön war die Kathedrale, als Hermann Joseph hereinkam. Tausende von Kerzen brannten, und die Luft war erfüllt vom zarten, süßen Geruch des Tannengrüns. Und der Altar vor Maria und dem Kind war voller Geschenke. Darunter waren kostbarere Gaben als je zuvor: Prachtvolle silberne Fahrzeuge der Silberschmiede, goldbestickte Tücher und Seidentücher, die , die Kaufleute aus dem Morgenland mitgebracht hatten, Dichter hatten ihre auf Pergament geschriebene Verse gegeben, Maler hatten Gemälde der Heiligen und der heiligen Familie gebracht, und der König hatte sogar seine Krone und sein Zepter dem Jesuskind zu Füßen gelegt. Und nun kam der kleine Uhrmacher. Langsam ging er den dunklen Mittelgang entlang und hielt seinen Weihnachtsapfel fest in der Hand. Die Leute sahen ihn, und er konnte sie flüstern hören, immer deutlicher und deutlicher: „Eine Schande! Seht ihr, er ist zu geizig, die Uhr wegzugeben. Er behält sie wie ein Geizkragen sein Gold. Seht nur war er da bringt! Eine Schande ist das!“ Die Worte drangen an Hermann Josephs Ohr, und wie blind taumelte er vorwärts, der Kopf fiel ihm auf die Brust, mit beiden Händen bahnte er sich einen Weg. Zum Altar schien es unendlich weit zu sein. Jetzt wusste er, dass er an der Bank vorbei war, jetzt betraten seine Füße die ersten Stufen, und sieben hatte er zu besteigen, um zum Altar zu kommen. Würden ihn seine Füße hinauf tragen? „Ein, zwei, drei“, zählte er stumm. Da strauchelte er und wäre beinahe gefallen. „Vier, fünf, sechs.“ Er hatte es fast geschafft. Nur noch eine Stufe. Das flüstern über die „Schande“ erstarb und wich einem Murmeln der Verwunderung. Schon bald konnte er die Worte deutlich verstehen. „Das Wunder! Das ist das Wunder!“ Die Menschen knieten nieder, der Bischof hob die gefalteten Hände. Und der kleine Uhrmacher, der die letzte Stufe hinauftaumelte, hob den verschleierten Blick und sah, wie sich das Kind in Marias Armen mit ausgestreckten Händen weit vorbeugte, um das Geschenk in Empfang zu nehmen.
Danke dafür! Frohe Weihnachten <3
Danke für die schöne Geschichte! Euch allen ein frohes Fest!
Meinem 3-Jährigen habe ich sie gerade vorgelesen und sein trockener Kommentar war: “So ein Quatsch!” – er fand sie wohl nicht so nachvollziehbar! 😏
Ich mit meinen fast 50 konnte mir eine Träne gerade noch so verkneifen – wirklich schön!
Sehr schön! Vielen Dank!