100 Jahre alte Bausteine aus Milch

Heute werfen wir einen Blick zurück. Weit zurück. Wir stellen Euch die Ur-Großeltern der heutigen Klemmbausteine vor: BATIMA.

Batima – die Urgroßmutter aller Kunststoff Bausteine

Vor einigen Jahren fiel mir eine große Holzkiste mit alten Bausteinen “vor die Füsse” – ungleich schwerer und größer als Lego Steine (ein 2×4 Batima Stein wiegt etwa das 10-fache unseres heutigen 2×4 Lego Steins), natürlich ohne Klemmkraft, aber schon mit “Noppen” und entsprechenden Aussparungen dafür in der Unterseite.

Recherchen ergaben: sie sind rund 100 Jahre alt.


Diese Batima Steine sind aus dem frühen Kunststoff “Galiath” und eine Erfindung des Belgiers Louis Cousin, er hatte darauf 1923 für Belgien und 1924 für Frankreich ein Patent angemeldet. 1954 übernahm die Firma Beeusaert die Herstellung der Batima Bausätze und fertigte sie bis 1959, danach wurde die Produktion eingestellt.

Aus Milch wird Plastik: Galiath

Die Entstehung des Kasein-Kunststoffes “Galiath” ist dem bayrischen Chemiker Adolf Spitteler und dem Forscher Ernst Krische zu verdanken. Der Legende nach war die Entstehung des neuen Kunststoffes ein Zufall: im Labor des Chemikers soll eine Katze eine Flasche Formaldehyd in eine Schüssel mit Milch umgeworfen haben, welche daraufhin zu einer hornartigen Verbindung gerann. In einer aufwändigen Prozedur behandelten sie das Casein aus Milchserum mit Formaldehyd und erhielten eine formbare Masse mit den Eigenschaften eines Duroplasten. Dieser Casein-Kunststoff musste daher entweder vor dem Aushärten geformt oder nachträglich gedrechselt und poliert werden. Letzteres wurde allerdings durch die Tatsache erschwert, das er leicht splitterte. Dafür war er sehr hart und besaß eine glänzende Oberfläche.

Für die Hobby Chemiker unter uns, die das etwas genauer wissen wollen:

Galalith entsteht aus Casein und Formaldehyd durch Vernetzung der Proteinketten über Methylen-Gruppen unter Wasserabspaltung. Das gemahlene Rohcasein wird mit Wasser angefeuchtet, mit Füllstoffen, Farblösungen und weiteren Zusätzen vermischt und durch Wärme und Druck plastifiziert. Durch spezielle Pressen entstehen daraufhin Halbzeuge, wie Rohre, Stäbe oder einfach nur Platten und Blöcke. Diese werden mittels Einlegen in Formaldehydbädern gehärtet und in Warmluft getrocknet. Es entsteht ein unbrennbarer Werkstoff mit günstigen Zähigkeitseigenschaften und einem warmen Farbton.
Bis Mitte der 1930er-Jahre wurde in Deutschland Galalith in grossen Mengen hergestellt und zunächst in der Herstellung von u. a. Knöpfen und Schmuck verwendet, später auch für die Isolierung elektrischer Anlagen, insbesondere in Waffensystemen.
1913 wurden immerhin 6% des damaligen Milchaufkommens für die Herstellung dieses Kunststoffes verwendet.

Zurück zu den Batima Bausteinen:

Sie besitzen, je nach Produktionsdatum und Marge, eine unterschiedlich grobe / feine Textur. Das Sortiment umfasste Steine in den Maßen 2×4, 2×3, 2×2, 1×2 sowie zwei Brückensteine.

In den frühen Holzkästen finden sich blaue, gelbe und rote Steine. Mit einem Maß von 38 cm x 30 cm x 6 cm wiegt so eine Kasten stattliche 5 kg. Er kam mit lediglich dem Schriftzug und der Baukasten Nummer (4 verschiedene Kästen gab es) ohne großartige Verzierungen aus.

Auf dem Deckel der späteren Pappschachtel war dann schon ein Bauwerk abgebildet, es kamen Steine in den Farben grau und schwarz hinzu.

Für Fenster und Türen gab es bedruckte Karten aus dicker Pappe zum Einklemmen:

Ich habe diese Fenster und Türen auch in rot mit Blumen Verzierungen gefunden – hier ein Baubeispiel dafür aus Brüssel:

Für Treppenstufen und Fenstersimse umfasste die Produktpalette kleine Holzteile mit Nut:

Zu guter Letzt noch eine kleine Anleitung für alle, die sich einmal in der Kunststoffherstellung versuchen möchten:


https://www.simplyscience.ch/kids/experimente/der-milchstein-ein-rezept-fuer-selbstgemachten-galalith


Ich selber habe das noch nicht ausprobiert – solltet ihr damit Erfolg haben, habt Anmerkungen und Lust auf weitere Exkursionen in die Welt der etwas anderen alten Bausteine: lasst es mich wissen schreibt es in die Kommentare.

4 thoughts on “100 Jahre alte Bausteine aus Milch

  • 4. April 2022 um 19:53
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    Wow cool, danke für den Beitrag!

    Antwort
  • 2. September 2022 um 13:05
    Permalink

    Danke für die Info. Die Bausteine sind grad im Vitra Design Museum ausgestellt. Hatte mich für ihren Bezug zu Lego interessiert.

    Antwort
  • 2. September 2022 um 13:16
    Permalink

    Danke für die Info, würde ich gern besuchen – ist leider recht weit weg…

    Antwort

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