Die spannende Geschichte der LEGO Testbricks (2) - Der Spielwaren Investor - spielend reale Rendite
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Die spannende Geschichte der LEGO Testbricks (2)

Prolog


Vor vielen Jahren fiel mir auf einem Flohmarkt eine Kiste voller merkwürdiger (Lego)Steine ins Auge: noch nie gesehene Farben, teilweise Buchstaben statt dem Lego Logo auf den Noppen – irgendwie kurios.
Die Frage nach dem „warum“ und „woher“ beschäftigt mich und mit mir viele Sammler dieser Teststeine bis heute. Vieles konnte durch Internetforen und Kontakte zu den betreffenden Kunststoffherstellern bzw. deren Angestellte und Verwandte beantwortet werden, vieles nicht. Die Geschichte der Materialfindung und Entwicklung des heutigen Legosteins ist nach wie vor ein gut gehütetes Geheimnis, das hier, nach vielen Jahren der weltweiten Detektivarbeit ( ja: die Kunststofftestungen fanden tatsächlich weltweit statt!), immer noch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.


Teil 2
Die Bayer ABCD Steine


Im ersten Teil hatte ich euch die ersten Teststeine der Firma Bayer Leverkusen vorgestellt. Sie wurden Ende der 50er / Anfang der 60er Jahre vorwiegend aus Cellidor Mischungen gespritzt. Die Kunststoff-Wahl fiel jedoch letztendlich auf „Novodur“, dem damalig neuen Bayer ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) und der deutsche Chemie-Riese Bayer aus Leverkusen avancierte zum qualitativen Haupt-Entwickler des heute im LEGO-Stein verwendeten Kunststoffs.
Nachdem nun ABS als Material feststand, bestand die nächste Herausforderung darin, die optimale Klemmkraft der Steine herauszuarbeiten. In dieser Entwicklungsphase stellte Bayer vier verschiedene Steinvarianten aus dem ABS-Kunststoff her. Die Teststeine wurden mit den Buchstaben A, B ,C und D auf der oberen rechten Noppe versehen, die restlichen sieben Noppen blieben frei.

A, B, C, D -wozu diese Buchstaben?


Die Noppen-Durchmesser dieser Steine unterscheiden sich jeweils um einen Zehntelmillimeter, woraus sich unterschiedliche Klemmkräfte ergeben: so hat der Stein A die geringste, der Stein D die stärkste Klemmkraft.
(Die C-Steine wurden später durch LEGO als Standard definiert. Bei weiterführenden Testungen gab es anschliessend Probe-Steine auf denen dann auf sämtlichen 8 Noppen bzw. 7 Noppen der Buchstabe C geprägt ist. Diese Steine werden in der Sammlerszene heute „8xC“ bzw. „7xC“ genannt und entsprechen qualitativ dem heutigen LEGO-Stein – aber dazu im nächsten Blog mehr.)


Ob der Gussform dieser 4 Steine auch Materialprüfkörper anhängig waren oder ob sie gesondert gespritzt wurden, ist unklar – gefunden wurden ein paar wenige, quadratische Testplatten – wahrscheinlich nicht nur als Farbmuster genutzt, sondern vermutlich auch für Biege- und Haltbarkeitstests (lange UV-Licht Aussetzung, Eintauchen in Chemikalien, usw.). Aber leider ist auch bei diesen Steinen bislang wenig über ein explizites Materialprüfverfahren bekannt.

„Bloody red“ mit Testplatte

Farben:

Von den Farben her habe ich bislang bei keiner Art von Teststeinen so viele unterschiedliche Töne finden können. Dieses ist ein altes Bild, mittlerweile sind es rund 350 Farbnuancen.
Warum so viele Steine ​​in so vielen Farben hergestellt wurden ist bis heute ein Rätsel. Vorstellbar wäre, das es dabei um die Wirkung verschiedener Farbadditive in Bezug auf die Elastizität ging.

Sehr selten und nur wenige Male gefunden wurden diese halbtransparenten ABCD-Besonderheiten:
Metallischer Effekt
…und Neonfarben…

Wie immer stellen marmorierte Steine, die durch den Einlauf einer neuen Farbe in die Gussform entstanden, ein besonderes Highlight für den Sammler dar:


Ganz besonders, so finde ich, sind dabei die „milchig Marmorierten“. Die milchige Farbe besitzt der Kunststoff ohne Farbzusätze, heißt: die jeweiligen Farben fließen hier gerade in den im „Naturzustand“ befindlichen Kunststoff ein, was die Steine auch immer lichtdurchlässig macht:

„Fehler-Steine“


Auch hier bieten „Fehlersteine“ einen schönen Einblick in die möglichen Probleme des Spritzgussverfahrens:
„Short Shot“ – Materialmangel, Einspritzgeschwindigkeit oder Druck zu niedrig, Form zu kalt, Mangel an Gasentlüftungsöffnungen


„Cold Shot“: beim Auswerfen werden Kunststoffsegmente abgerissen und verbleiben in der Form. Beim Wiederanfahren werden dann die Reste mit dem neu einfließenden Kunststoff aus dem Werkzeug geholt und werden Bestandteil des neuen Steins.


Epilog:


Ich hoffe, ich konnte auch mit diesem zweiten kleinen Beitrag dein Interesse an diesem Stück im Dunkeln liegender Lego-Geschichte wecken und bin offen für alle Fragen. Die Angaben in diesem Artikel beruhen auf eigenen Recherchen vieler Jahre, unzähligen Gesprächen mit ehemaligen Angestellten und deren Verwandten der Firma Bayer – und: nicht zu vergessen, dem Austausch mit anderen Sammlern dieser Steine. Bei LEGO und Bayer selbst sind leider kaum Informationen über diese frühen Teststeine erhältlich. Solltest du ergänzende Informationen oder auch spezielle Fragen haben, würde ich mich sehr über einen Kontakt freuen.

4 Gedanken zu „Die spannende Geschichte der LEGO Testbricks (2)

  • Robi-Wan Kenobi

    Schöner Artikel! 🙂
    Da freue ich mich schon auf den nächsten Flohmarktbesuch, um dann auch mal auf Schatzsuche zu gehen. Vor allem die „Cold Shot“ Exemplare haben es mir ein wenig angetan.

    Antwort
  • fantasticbricks

    Oh ja, Flohmärkte vermisse ich auch! Allerdings findet man selten ein „Cold Shot“ Exemplar wie dieses. Abgerissene Kunststoffsegmente können recht lange der Form anhaften – man findet dann eher diese Fehlsteine, bei denen immer das gleiche Teilchen fehlt – das abgerissene Segment also weiter im Werkzeug verblieb:
    https://www.flickr.com/photos/129727166@N02/32398132326/in/photostream/

    Antwort
  • Legolars

    Die sind mir tatsächlich schon untergekommen mit den deformierten Tubes. Jetzt weiß ich auch, wo die herstammen. Danke!

    Antwort
  • fantasticbricks

    Lars, das können aber auch simple Short Shots sein – am besten, du gibst sie mir… 😎

    Antwort

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